SAX-Artikel

"Ich muss dieser Spur folgen"

Seit zwei Jahren recherchiert Annika Dube-Wnęk zur Ausländerkinder-Pflegestätte Kiesgrube, einem dunklen Kapitel der Geschichte unserer Stadt.

In Dresdens Norden finden Historiker viel Stoff zum Nationalsozialismus: Klotzsche bietet Luftkriegsschule und Napola, der Heller das Arbeitslager Hellerberg. Doch nur wenige wissen: Nach dem Arbeitslager gab es dort, am Hammerweg, von 1943 bis 1945 die Ausländerkinder-Pflegestätte Kiesgrube, sagt Annika Dube-Wnęk. Darin gebaren Zwangsarbeiterinnen ihre Kinder. Diese Babys wurden nicht aktiv getötet, aber bewusst vernachlässigt, so dass ein Großteil starb, erläutert die 36-jährige. Auch wenige Tage oder Wochen alte Zwangsarbeiterkinder, die woanders geboren waren, wurden in dieses Heim gebracht, dessen Name Pflegestätte mehr als zynisch ist: Kaum ein Kind erlebte seinen ersten Geburtstag.
Zwei Jahre forscht Annika Dube-Wnęk schon über das Lager, das zu den weißen Flecken der Stadtgeschichte gehört. Die Landschaftsarchitektin stieß zufällig auf das Thema. Durch meine Diplomarbeit über das KZ Krakau kam ich zur Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Dresden. Als wir 2008 eine Erinnerungstafel zu Nazi-Verbrechen vor dem St.-Pauli-Friedhof aufstellten, fragte mich der Friedhofsverwalter: Wollen Sie nicht mal was für die Kinder machen? Ich hatte bis dato noch nie von den 170 Kindern gehört, die auf dem St.-Pauli-Friedhof liegen und offiziell als Opfer des Nationalsozialismus gelten, erinnert sie sich.
Die gebürtige Chemnitzerin begann zu recherchieren, unter anderem im Stadtarchiv. Dort erhielt sie die Klotzscher Sterbebücher. Nach und nach fand ich so heraus, dass sich der Tod von 238 Kindern in diesem Lager nachweisen lässt. Zu ihnen gibt es Namen, Angaben zu den Eltern, Geburts- und Sterbedatum, Nationalität und Todesursache. Annika Dube-Wnęk hat die kopierten Seiten der Sterbebücher noch. Darin finden sich vor allem russische, ukrainische und polnische Namen. Als Todesursache liest man Darmkatarrh, Lungenentzündung, angeborene Lebensschwäche. Das sagt viel aus über die hygienischen Bedingungen, unter denen die Kleinen dahinvegetierten. Dass man mit wehrlosen Kindern so umging, macht mich wütend und lässt mich dieser Forschungsspur weiter folgen, sagt die zweifache Mutter. Obwohl zahllose Unterlagen bei Kriegsende vernichtet wurden, weiß sie, dass in der Pflegestätte 497 Kinder zur Welt kamen. Doch vieles hat sie noch nicht herausfinden können, auch wenn sie teilweise bis zu 20 Stunden wöchentlich recherchierte: Wie viele Kinder haben das Lager überlebt? Wie ging es da genau zu? Was wurde aus den Verantwortlichen?
Auf dem St.-Pauli-Friedhof erinnert nur ein karger Stein mit ungenauen Angaben an das Schicksal der Kinder. Annika Dube-Wnęk hat zusammen mit Grünflächen- und Kulturamt einen Entwurf für einen Gedenkhain erarbeitet, der allerdings gut 10 000 Euro kosten würde. Das ist momentan nicht drin. Doch die Landschaftsarchitektin, die jetzt Sozialarbeit an der Evangelischen Fachhochschule studiert, hat es trotz des ernsten Themas genossen, den Hain virtuell zu gestalten. Das Künstlerische brauche ich. Deshalb illustriere ich neben dem Studium Märchen und Geschichten, vor allem für Kinder. (Beate Diederichs in: SAX - Das Dresdner Stadtmagazin, Personenkult, März 2011)

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Annika Dube-Wnęk
Leisniger Str. 5
01127 Dresden
Telefon:
0049 (0)351 - 3 20 75 10
Annika.Dube@freenet.de